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Rottmersleben

Der Traum vom Bischof, Wasserspiele in der Gruft und Drachentöter Georg

Als Thietmar im Morgengrauen erwachte, wusste er, dass er Bischof würde. Seine Ernennung war ihm erschienen, in Rottmersleben, im Traum. Wahr wurde dieser im Jahr 1009 und Thietmar hernach bedeutender Bischof von Merseburg sowie Chronist der Ottonenzeit. Ab 1012 bis zu seinem Tod 1018 schrieb er in acht Büchern nieder, was die Geschichte ab 908 ausmachte. Er schuf damit eine der wichtigsten Informationsquellen über Verfassung, Gesellschaft und Mentalität im ostfränkisch-deutschen Reich. Nach Magdeburg hatte er langjährige Beziehung. Geboren 975 in Wahlbeck kam er im Alter von zwölf Jahren ins Kloster Berge, wurde drei Jahre später in das Magdeburger Stift aufgenommen und erhielt seine Ausbildung an der Domschule. Im Gegensatz zu seiner Familie (sein Großvater Liuthar beteiligte sich 941 an einer Verschwörung gegen Kaiser Otto I.) sympathisierte Thietmar mit den Ottonen und hatte Kontakte zum Kaiserhof von Otto III.
Mit Rottmersleben verband ihn nicht nur der Bischofs traum, zu seinen Besitztümern gehörte ein hiesiger Hof, geerbt 997 von seiner Mutter. Die Ortschaft erinnert heute an den berühmten Bewohner auf Informationstafeln mit der Aufschrift „Heimstatt des Thietmar von Merseburg“ und dessen Bildnis. Zudem wurde eine Skulptur in Auftrag gegeben: Bildhauer Thomas Koch schuf die hölzerne Figur des Geschichtsschreibers mit der Kettensäge aus einem Stück Lindenholz. Von diesem Künstler stammen zudem die Holz-Spielzeug-Skulpturen am „Pfad der Sinne“ im Nachbarort Nordgermerlsleben. Der Glaube führt von Alters her viele Menschen nach Rottmersleben. Der Ort liegt an einem alten Zweig des Pilgerweges auf dem Weg nach Santiago de Compostela und die Kirche ist dem heiligen Jakob geweiht. Von außen bescheiden gehalten, offenbart sie in ihrem Inneren eine beeindruckende weiß dominierte Schönheit. Ältester Teil ist der Turm, entstanden um 980. Erhalten sind Schießschartenöffnungen im Erdgeschoss, stille Zeugen kriegerischer Zeiten. Kirchenschiff und Innenausstattung haben barocken Stil (1700). Die Orgel, 1880 von August Troch gefertigt, wurde 2010 restauriert und erhebt seitdem wieder ihren Klang bei Konzerten. Ein Epithaph in Öl auf Kupfer an der Ostwand zeigt ein Familienbild: Patronat Heinrich Adrian von Veltheim und seine Frau Anna Sophie von der Schulenburck mit ihren sechs Kindern. Hoch oben im sanierten Kirchturm erklingt das Spiel eines Glockenpaares. Die große bronzene Glocke wurde 2006 feierlich aufgezogen und ist mit 1,4 Tonnen und 1,3 Metern Durchmesser eine der größten neu gegossenen Glocken in ganz Sachsen-Anhalt. Zuletzt wurde St. Jakobus im Jahre 2005 umfangreich renoviert und hernach mit Hilfe des Leader-Programms als Pilgerkirche wiederbelebt. In der Krypta unter dem Altarraum können heute Pilgerer in besinnlicher Atmosphäre meditieren. Sie werden empfangen von einer tönernen Madonna und dem Plätschern eines Wasserspiels. Das „sagenhafte” Rottmersleben erleben Besucher beim Rundgang durch den Ort. Sieben Sagensteine erzählen schaurig-schöne Geschichten von „Reiter ohne Kopf”, dem „Raubmörder Schröder”, der „Schlüssel-Junfrau” oder dem „Pott-Karl”. Zum Besuch lockt eine weitere Attraktion der Kirchengemeinde Rottmersleben-Ackendorf vier Kilometer in Richtung Haldensleben. In der Bonifatiuskirche wurden mittelalterliche Fresken unter mehrfacher Kalkschicht wiederentdeckt und freigelegt. Sie sollen mindestens aus dem 15. Jahrhundert stammen und im Zusammenhang mit den Tempelrittern von Wichmannsburg und ihrem Obmann von Alvensleben entstanden sein. Dafür spräche, dass auf einem Teil ein als Priester verkleideter Tempelritter zu sehen ist. Darüber die Madonna mit Kind und zwei Heilige, wahrscheinlich Katharina und Barbara. Auf dem zweiten Bild kämpft der heilige Georg mit einem Drachen. Die Gemälde bilden die Grundlage für ein Dokumentationszentrum für Fresken, einmalig in Sachsen-Anhalt. Zu zweifelhafter Berühmtheit führte übrigens 1925/26 ein Raubmord in Rottmersleben. Er ging als Magdeburger Justizskandal in die Geschichte ein und wurde 1948 als „Affaire Blum“ verfilmt. Der jüdische Fabrikant Rudolf Haas war wegen Mordes an seinem ehemaligen Buchhalter inhaftiert worden und sowohl vom Gericht als auch der Öffentlichkeit für schuldig erklärt. Selbst als der wahre Täter bereits gestanden hatte. Die Verhandlungen hatten zu einer reichsweiten Debatte geführt.