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... entlang der Straße der Romanik

Nichts ist spannender als Geschichte. Wenn ihre Geschichte detailreich und faszinierend erzählt ist. Egal ob sie in der Urzeit, Mittelalter, Renaissance, Aufklärung, Industriealisierung oder in der Jetztzeit handeln - die Menschen wollen gerührt und entführt werden. Gerade im mitteldeutschen Raum und im speziellen die Region um Magdeburg kann man heute auf Zeitreisen erkunden. Nach Spuren, die unterschiedlicher nicht sein können. Nach Geschichte und Geschichten, die bis in die heutige Zeit reichen. Durch die touristische Route „Straße der Romanik“ wurde nach deren nun mehr über 20 Jahren Existenz das Kernland des frühen deutschen Königtums stärker ins Bewusstsein eines gegenwärtigen Geschichtsbewusstseins gerückt. Mit diesem historischen roten Faden zeigen 60 Stationen – wehrhafte Burgen, Domen, Klöster und Kirchen – aus der Zeit von der Mitte des 10. bis Mitte des 13. Jahrhunderts erlebbare Geschichte, an der die Christianisierung mit Kreuz und Schwert sowie 1000 Jahre alte europäische Politik sichtbar werden.

Der Erfolg der Straße der Romanik ist ein beredetes Zeugnis für das Funktionieren geschichtlicher Erfahrungs- und Wissenswege. Innerhalb solcher Entdeckungsreisen erklärt sich die Faszination an Historie. Mit dem touristischen Förderprojekt „Verborgene Schätze an der Straße der Romanik“ kann jetzt quasi eine Verständigungsbrücke zwischen den Geschehnissen des Mittelalters und den folgenden Epochen in die Gegenwart gebaut werden und der geschichtliche Reichtum der Region noch plastischer werden. „Was der Mensch sei, sagt ihm nur die Geschichte“ schrieb der deutsche Theologe und Philosoph Wilhelm Dilthey (1833 – 1911) im 19. Jahrhundert. Es gehört zum Wesen des Menschen beständig auf der Suche nach sich selbst zu sein. Wer bin ich? Lautet eine Grundfrage unseres Lebens. Herauszufinden, warum wir sind wie wir sind, heißt sich auf den Weg zurück zu den Wurzeln zu machen. In der Geschichte unseres Lebensraumes entdecken wir die Fundamente für unsere Kultur, für Traditionen und Einstellungen. Jeder Mensch wird in seine Zeit geboren und nimmt das Leben als selbstverständlich an. Doch jedes Jahrhundert zuvor bildete die Grundlagen für dieses Selbstverständnis. Und wer sich selbst besser erkennen will, muss zurück zu den Wurzeln unserer Urahnen. Die bedeutenden Herrscher jeder Zeit haben überall Spuren hinterlassen. In ihren Lebensstätten, Kirchen und Schriften sind sie zu finden. Der historische Bogen von Otto dem Großen bis zum Ausgang des Mittelalters spannt sich weiter über alle Epochen von der Renaissance über die Zeit des Barocks und der Aufklärung bis hin in die Moderne mit der Industrialisierung. Und jede Zeit findet ihre Abbilder in den Städten und Gemeinden unseres Landes.

Einzelne Punkte herauszustellen und auf einem Erlebnispfad zu zeigen – das ist das Grundanliegen dieser touristischen Projektarbeit. Als Ausgangspunkt für die dynamische Entwicklung der mittelalterlichen Region muss immer wieder das Wirken Otto I. gesehen werden. Sein Engagement, Magdeburg zur Reichsmetropole und zum Erzbistum zu machen, wurde nicht nur in Magdeburg selbst, sondern in der gesamten Umgebung sichbar. Und Otto der Große musste sich auf seinem Weg immer wieder mit Kirchen-Mächtigen auseinandersetzen. So sagt die Überlieferung, dass der Halberstädter Bischof Bernhard zunächst den Bau eines Bischofsdoms an der El be nicht zustimmen wollte. Erst die Aussicht auf das Amt als Erzbischof und eine Entschuldigung Ottos, der Bernhard kurzzeitig einsperren lassen hatte, stimmten ihn wohl um. Der nächste Protest kam vom Mainzer Erzbischof Wilhlem, der Ottos leiblicher Sohn aus einer frühen Liason mit einer slawischen Prinzessin war. Das Bestreben der Bischöfe, insbesondere von Bernhard von Halberstadt, war anscheinend mehrfach davon getragen, die Macht Ottos nicht zu groß werden zu lassen. Deshalb betrieb Bernhard eine eigene Politik und stärkte seine Besitztümer im Bistum mit zahlreichen Privilegien. In diesen territorialen Machtbestrebungen darf sicher ein weiterer Grundstein für die Entwicklung der Region gesehen werden, die an heute noch existierenden Klosteranlagen, Sakralbauten bzw. an Bauwerken, die später an die Stelle der einstigen Ur-Fundamente rückten. Die vorliegende Studie ist das Ergebnis eines gemeinschaftlichen Engagements fünf Lokaler Aktionsgruppen (LAG). Das Anliegen der Akteure ist es die historische Bedeutung der mitteldeutschen Region von der Colbitz-Letzlinger-Heide bis zum Harz innerhalb eines fortwährenden Prozesses wieder sichtbar werden zu lassen. Insofern ist die vorliegende Schrift ein erstes Ergebnis des Gemeinschaftsprojektes der fünf Lokalen Aktionsgruppen. Die Studie soll der Ausgangspunkt für eine weitere touristische Erschließung der Region sein. 46 Erlebnispunkte wurden von den Autoren in Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen der LAG identifiziert und beschrieben. Die historischen Wurzeln und Bedeutungen wurden herausgearbeitet. Bilder zeigen den heutigen rekonstruierten baulichen Zustand, der vielfach durch eine LEADER-Förderung erreicht werden konnte.

Die ausgewählten Erlebnispunkte sind eine Auswahl an historischen und bedeutungsvollen Stätten der Region. Die Projektstudie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern will
vielmehr einen Leitfaden an die Hand geben, mit dessen Hilfe die einzelnen Punkte miteinander verknüpft werden. In der weiteren Zusammenarbeit der LAG können touristische und Marketinginstrumente die Erlebnispunkte zu einem Erlebnispfad ähnlich wie die „Straße der Romanik“ werden lassen, selbige gleichsam bereichern bzw. deren Magnetwirkung zu nutzen.
Gleichsam wird mit der vorliegenden Arbeit Menschen aus Nah und Fern ein touristischer Wegweiser zum Erleben eigener Geschichte an die Hand geben. Und noch eine Botschaft kann sich mit dieser exemplarischen Zusammenstellung verknüpfen: An den herausragenden geschichtlichen Zeichen kann nicht nur die Entwicklung und Bewegung einer Region deutlich gemacht werden, es kann auch gelingen, ein Stück Stolz und Selbstwertgefühl in das eigene Bewusstsein einzupflanzen. Das Wissen um die regionale Geschichte ist ein ausgezeichneter Spiegel für das Erkennen eigener Bedeutung. Wer sich auf den Weg in die Geschichte macht, findet immer einen Ansatz zum Verständnis des eigenen Seins. Die Erklärungen über die eigene Herkunft liegen nicht an den Ufern ferner Länder, sondern sie liegen sprichwörtlich vor unseren Füßen. Sie werden nur zu selten wahrgenommen, weil man die sichtbaren Zeichen im Alltag selten mit dem Wissen um deren historische Deutung passiert. Genau wie die „Straße der Romanik“ braucht so ein erweiterter historischer Tourismuspfad seine Zeit, um angenommen und verinnerlicht zu werden. Die Wirkung wird also keine kurzfristige sein, sondern eine lange und gestaltende mit einem nachhaltigen Identifizierungseffekt. In gewisser Weise ist der Titel „Verbogene Schätze an der Straße der Romanik“ leicht irreführend. Sie, die in der unmittelbaren Nähe lokaler architektonisch bedeutsamer Bauwerke leben, kennen Ihre „Schätze“ am besten. Deren Geschichte und Geschichten sind für Sie vielfach erschlossen und aufgearbeitet. In der Projektstudie geht es nun darum, diese herausragenden historischen Punkte für ein breiteres Publikum zusammenzufassen und einen Weg aufzuzeigen, wie diese Schätze erlebbar werden. Mit Abschluss dieser Projektarbeit werden nicht sofort Besucher in Scharen an die geschichtsträchtigen Orte pilgern. Diese Arbeit ist zunächst ein erster Grundstein, der Neugier wecken wird und der auf die funktionierenden Marketinginstrumente der „Straße der Romanik“ aufsetzen kann. Am Ende der Arbeit zeigt eine Übersicht zahlreiche Marketingempfehlungen, mit deren Hilfe der Tourismuspfad „Verborgenen Schätze an der Straße der Romanik“ entwickelt werden kann. Schließlich nicht einfach eine Schatztruhe an einem bestimmten Ort geöffnet werden, sondern der gesamte historische Reichtum ganzer Landstriche sichtbar werden. Mit diesem Projekt wird über zahlreiche chronistischen und historischen Sammlungen vor Ort ein Dach gebaut.

Ronald Floum
Thomas Wischnewski