Das Lebensbaumkruzifix am Hochaltar
Am 16. Januar 1989 wurde es als Geschenk der Partnerstadt Braunschweig
für den Dom übergeben. Schöpfer des Werkes ist der Braunschweiger
Bildhauer Prof. Jürgen Weber, der 1988 das zwei Jahre zuvor entstandene
Werk für den Dom erhöht hatte. Webers Lebensbaumkruzifix ist
eine gelungene Synthese aus einem Pestkruzifix mit seiner drastischen Darstellung
der Qualen des Gekreuzigten und aus dem Erlösungsmotiv des Lebensbaumes.
Im 14. Jh., als Pest und Cholera Mitteleuropa heimsuchten, sah man diese
Seuchen als Strafe Gottes an für die Sünden der Menschen, und
die Kirche ließ Pestkruzifixe aufstellen, die zur Buße mahnen
sollten. Der Korpus zeigt einen sterbenden Christus, der sich in Schmerzen
windet. Durch die Handgelenke und Fußwurzeln sind Pflöcke getrieben,
die Haut an den Wunden stark aufgerissen. Der Kopf ist gesenkt, der Mund
vor Qual geöffnet. Die realistische Wirkung wird durch eine teilweise
Bemalung (Blutspuren, Augenweiß) noch gesteigert. Der Körper
hängt völlig frei und berührt das Baumkreuz nur mit den
Händen und Füßen. Der Eichenstamm ist verdorrt, die Äste
abgebrochen; doch unter den Füßen Jesu, an der Stelle, wo das
Blut auf den Stamm auftrifft, ist ein neuer Zweig ausgeschlagen—Symbol
des Lebens, das aus Opfern erwächst, Andeutung der Auferstehung. Das
Kruzifix ist dreidimensional gestaltet, der Betrachter kann sowohl vom
Hohen Chor als auch vom Chorumgang aus durch die Arkaden blickend immer
neue Eindrücke gewinnen.
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