Die klugen und törichten Jungfrauen am
Nordquerhausportal

Die um 1250 geschaffenen Figuren der zehn Brautjungfern bilden den berühmtesten
Bilderzyklus des Magdeburger Domes. Ursprünglich für einen anderen
Platz geschaffen, wurden sie erst nachträglich in das Gewände
des Portals eingefügt. Der Darstellung liegt ein Gleichnis Jesu zu grunde
(Matthäus 25), das Gleichnis von den fünf klugen Brautjungfern,
die den Bräutigam gut vorbereitet erwarten, um ihn festlich zum Hochzeitshaus
zu geleiten, und den fünf anderen, die sich erst noch Öl für
ihre Lampen besorgen müssen. Sie kommen zu spät und finden keinen
Einlaß mehr. Die Deutung sieht in dem Bräutigam Christus selbst
und in der Hochzeit ein Sinnbild für das Leben bei Gott. Die Portalkonzeption
stellt dem Betrachter zwingend die Frage nach seiner Vorbereitung und den
Verlust des ewigen Lebens als Warnung vor Augen. Der unbekannte, geniale
Meister des 13. Jh. führt die Gegenüberstellung von Gewinn und
Verlust bis ins letzte Detail. In der sorgfältigen Behandlung der
Einzelheiten, der sicheren Beherrschung der bewegten Körper und in
der Gestaltung des großen Affekts erweist er sich als einer der größten
Bildhauer des Mittelalters. Die Differenzierung seelischer Regungen ist
bis ins Höchste gesteigert, die ganze Skala von Freude und Schmerz
ist dargestellt. Dazu tritt eine unmerkliche Beziehung zwischen den sich
jeweils gegenüberstehenden Figuren, in denen die gleichen Temperamente
dargestellt sind: Höchste Verzweiflung über die verpaßte
Chance des Lebens steht dem strahlenden Lachen der Auserwählten (zweite
von innen) traurigem Nachsinnen der stillen, in sich ruhenden Freude über
die Gnade Gottes gegenüber (mittlere Figuren). |