Der Dom zu Magdeburg St. Mauritius und Katharinen


Die Kapitelle des Chorumganges

Sie gehören zu den besten Schöpfungen spätromanischer Bildhauerkunst überhaupt. In einer unübersehbaren Fülle quellen Blätter, Knospen, Ranken, Dämonen und Fabeltiere, Gesichter, Tiere und menschliche Gestalten aus dem Stein. In den dämonischen Figuren wirkt noch der alte Gedanke, böse Mächte, die den Raum und die Gläubigen bedrohen, abzuschrecken. Daneben stehen allegorische Figuren und biblische Motive, die dieser Welt entgegentreten . Die Kapitellfriese sind in der Kunstgeschichte bis heute ungedeutet. Die vielen Versetzungen innerhalb der Werkstücke und die verschiedenen Hände erschweren die Interpretation. Eine erste Deutung Mitte der 80er Jahre sieht in ihnen die Danielgeschichte in Stein und deutet die alttestamentliche Geschichte auf die zeitgenössischen Auseinandersetzungen zwischen Kaisertum und Papsttum, als der Welfe Otto IV. in das Erzbistum einbrach, nachdem er zuvor von Albrecht II. gebannt worden war. Alle Kapitelle des Chorumganges sind aus der Grundform des Kelchblocks gearbeitet, die schon den Übergang zur Gotik ankündigt. Dabei sind deutlich verschiedene Meister zu unterscheiden:

Der Meister der breitiappigen Kapitelle entwickelt eine üppige Fülle in unerschöpflichen Variationen aus aufsteigenden und sich ausrollenden Blättern, die von einer einzigen Blüte zusammengehalten werden. Auch seine figürlichen Darstellungen sind von gedrängter Fülle und starker innerer Spannung und Unruhe, der gleichzeitig Mächtigkeit und Größe innewohnt. Zu ihnen gehören das Verkündigungs- und das Belsazarkapitell sowie das spannungsgeladene Bildhauerporträt.

Der Meister der Rankenkapitelle zeigt einen hochromanischen, klassischen Stil von zarten Ranken, die fast immer mit figürlichen Darstellungen und Tiersymbolik verbunden sind. Er ist ein charakteristischer Menschenbildner, wobei die lebendige Darstellung bereits das ornamentale Denken zu sprengen beginnt. Vgl. die Kapitelle über der Grabplatte Ottos von Hessen und die Figurenkapitelle am südlichen Abschlußpfeiler des Chorpolygons. <P Der Meister des Magdalenentympanons im südlichen Chorumgang ist demgegenüber am weitesten fortgeschritten zum romanisch-gotischen Übergangskapitell. Die Pflanzen sind naturalistischer und organischer geworden, die menschlichen Figuren und Gesichter zeigen ein fast klassisches Schönheitsideal. Vgl. das Kapitell neben dem nördlichen Aufgang zum Bischofsgang und das Magdalenentympanon, das den Auftakt zur gotischen Reliefkomposition angibt.

Neben diesen großen Meistern sind noch weitere rheinische und französische Werkmeister zu unterscheiden. Vom letzteren stammt das berühmte Wolfskapitell (ein Mensch geht durch ein Dickicht und wird von einem Wolf angefallen-gedeutet als Abwehr Ottos IV. durch Erzbischof Albrecht II.), vor dem die deutsche Mystikerin Mechthild von Magdeburg ihre Bekehrung erlebt hat und dessen Motiv über deren Hauptwerk "Das fließende Licht der Gottheit" bis in Dantes "Göttliche Komödie" nachgewirkt hat.


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