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• Die Konzertreise 2008 des Rossini-Quartetts geht zu Ende


Heinrich Heine:

Deutschland - ein Wintermärchen

Caput I

 

Im traurigen Monat November wars,

Die Tage wurden trüber,

Der Wind riß von den Bäumen das Laub,

Da reist ich nach Deutschland hinüber.

 

Und als ich an die Grenze kam,

Da fühlt ich ein stärkeres Klopfen

In meiner Brust, ich glaube sogar

Die Augen begunnen zu tropfen.

 

Und als ich die deutsche Sprache vernahm,

Da ward mir seltsam zu Mute;

Ich meinte nicht anders, als ob das Herz

Recht angenehm verblute.

 

Ein kleines Harfenmädchen sang.

Sie sang mit wahrem Gefühle

Und falscher Stimme, doch ward ich sehr

Gerühret von ihrem Spiele.

 

Sie sang das alte Entsagungslied,

Das Eiapopeia vom Himmel,

Womit man einlullt, wenn es greint,

Das Volk, den großen Lümmel.

 

Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,

Ich kenn auch die Herren Verfasser;

Ich weiß, sie tranken heimlich Wein

Und predigten öffentlich Wasser.

 

Ein neues Lied, ein besseres Lied,

O Freunde, will ich Euch dichten!

Wir wollen hier auf Erden schon

Das Himmelreich errichten.

 

Wir wollen auf Erden glücklich sein,

Und wollen nicht mehr darben;

Verschlemmen soll nicht der faule Bauch

Was fleißige Hände erwarben.

 

Es wächst hienieden Brot genug

Für alle Menschenkinder,

Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust,

Und Zuckererbsen nicht minder.

 

Ja, Zuckererbsen für jedermann,

Sobald die Schoten platzen!

Den Himmel überlassen wir

Den Engeln und den Spatzen.

 

Und wachsen uns Flügel nach dem Tod,

So wollen wir Euch besuchen

Dort oben, und wir, wir essen mit Euch

Die seligsten Torten und Kuchen.

 

Ein neues Lied, ein besseres Lied,

Es klingt wie Flöten und Geigen!

Das Miserere ist vorbei,

Die Sterbeglocken schweigen.

 

Die Jungfer Europa ist verlobt

Mit dem schönen Genusse

Der Freiheit, sie liegen einander im Arm,

Und schwelgen im ersten Kusse.

 

Und fehlt der Pfaffensegen dabei,

Die Ehe wird gültig nicht minder ­

Es lebe Bräutigam und Braut,

Und ihre zukünftigen Kinder!

 

Ein Hochzeitcarmen ist mein Lied,

Das bessere, das neue!

In meiner Seele gehen auf

Die Sterne der höchsten Weihe ­

 

Begeisterte Sterne, sie lodern wild,

Zerfließen in Flammenbächen ­

Ich fühle mich wunderbar erstarkt,

Ich könnte Eichen zerbrechen!

 

Seit ich auf deutsche Erde trat,

Durchströmen mich Zaubersäfte ­

Der Riese hat wieder die Mutter berührt,

Und es wuchsen im neu die Kräfte.

 


 

Das Trauerspiel von Afghanistan

Eine Ballade

 

Der Schnee leis stäubend vom Himmel fällt,

Ein Reiter vor Dschellalabad hält,

"Wer da!" - "Ein britischer Reitersmann,

Bringe Botschaft aus Afghanistan."

 

Afghanistan! Er sprach es so matt;

Es umdrängt den Reiter die halbe Stadt,

Sir Robert Sale, der Kommandant,

Hebt ihn vom Rosse mit eigener Hand.

 

Sie führen ins steinerne Wachthaus ihn,

Sie setzen ihn nieder an den Kamin,

Wie wärmt ihn das Feuer, wie labt ihn das Licht,

Er atmet hoch auf und dankt und spricht:

 

"Wir waren dreizehntausend Mann,

Von Kabul unser Zug begann,

Soldaten, Führer, Weib und Kind,

Erstarrt, erschlagen, verraten sind.

 

Zersprengt ist unser ganzes Heer,

Was lebt, irrt draußen in Nacht umher,

Mir hat ein Gott die Rettung gegönnt,

Seht zu, ob den Rest ihr retten könnt."

 

Sir Robert stieg auf den Festungswall,

Offiziere, Soldaten folgten ihm all',

Sir Robert sprach: "Der Schnee fällt dicht,

Die uns suchen, sie können uns finden nicht.

 

Sie irren wie Blinde und sind uns so nah,

So lasst sie's hören, dass wir da,

Stimmt an ein Lied von Heimat und Haus,

Trompeter blast in die Nacht hinaus!"

 

Da huben sie an und sie wurden's nicht müd',

Durch die Nacht hin klang es Lied um Lied,

Erst englische Lieder mit fröhlichem Klang,

Dann Hochlandslieder wie Klagegesang.

 

Sie bliesen die Nacht und über den Tag,

Laut, wie nur die Liebe rufen mag,

Sie bliesen - es kam die zweite Nacht,

Umsonst, dass ihr ruft, umsonst, dass ihr wacht.

 

"Die hören sollen, sie hören nicht mehr,

Vernichtet ist das ganze Heer,

Mit dreizehntausend der Zug begann,

Einer kam heim aus Afghanistan."

 

Theodor Fontane (1859)

 


 

 Erich Kästners 13 Monate

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Diese Gedichte u.v.a.m.:
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